Unsicherheiten für 2010 – Vieles hängt von der Finanzwirtschaft ab

Das HWWI, das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut , sieht Deutschland in der Krise. Und sieht dennoch auch erste Lichtblicke für das kommende Jahr. Gerade ein Zunehmen der Arbeitslosigkeit wird erwartet, wobei die momentanen Zahlen der Arbeitsagenturen den Prognosen vieler Wirtschaftsinstitute immer noch völlig zuwiderlaufen. Dennoch ist es wichtig, die unterschiedlichen Prognosen zu lesen und sie nicht beiseite zu schieben.

Die komplette Prognose des HWWI:

„Erste Lichtblicke für 2010
Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat seine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland für 2009/2010 vom März vor allem wegen der schlechter als erwarteten Entwicklung zu Jahresbeginn nach unten revidiert. Im Winterhalbjahr 2008/2009 ist das reale Bruttoinlandsprodukt auf Jahresbasis hochgerechnet um 12 % gesunken und auf das Niveau von 2005 zurückgefallen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich damit in der schwersten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik. Obwohl eine Reihe von Frühindikatoren eine Bodenbildung signalisiert, bleibt die Unsicherheit über die weitere Entwicklung groß. Die in den meisten Ländern ergriffenen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen scheinen allmählich zu wirken. Bei der erwarteten “Seitwärtsentwicklung” der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte wird das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt 2009 um knapp 6 % niedriger als 2008 sein. Die Perspektiven für 2010 sind nicht nur wegen mangelnder Erfahrungen mit solchen Krisensituationen mit hoher Unsicherheit behaftet, sondern hängen in entscheidender Weise auch vom wirtschaftspolitischen Handeln ab. Aufgrund der erforderlichen Anpassungsprozesse wird die deutsche Wirtschaft im Laufe des kommenden Jahres allenfalls geringfügig wachsen, im Jahresdurchschnitt etwa unverändert bleiben. Die Arbeitslosigkeit wird bei dieser Entwicklung deutlich zunehmen. Für Preiserhöhungen wird im Prognosezeitraum kaum Spielraum sein.

Erläuterungen:

Deutschland ist aufgrund seiner ausgeprägten Exportorientierung besonders hart von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen. Die Ausfuhren sind binnen eines Jahres um fast 30 % eingebrochen. Bei der Binnennachfrage schlugen vor allem die Investitionskürzungen der Unternehmen durch; die Ausrüstungsinvestitionen wurden allein im Winterhalbjahr 2008/2009 um 20 % verringert. Der private Konsum blieb, nicht zuletzt wegen der geringen Teuerung und der dank der Abwrackprämie stark gestiegenen Nachfrage nach PKWs, bislang recht robust.

Obwohl einige Frühindikatoren eine Bodenbildung signalisieren, bleibt die Unsicherheit über die weitere Entwicklung groß; das Rückschlagspotential ist erheblich. Die in den meisten Ländern ergriffenen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen beginnen nunmehr zu wirken. Ein großer Unsicherheitsfaktor ist die künftige Entwicklung am Arbeitsmarkt. Bislang haben die Unternehmen die Unterauslastung mehr durch Kurzarbeit als durch Entlassungen zu überbrücken versucht, wodurch die Einkommen und damit der private Konsum relativ stabil gehalten wurden. Mit Andauern der Flaute ist jedoch mit einer zunehmenden Anpassung der Beschäftigung an das gedrückte Produktionsniveau zu rechnet.

In den kommenden Monaten werden die Stützungsmaßnahmen die rezessiven Einflüsse überlagern. Das sollte die Wirtschaft stabilisieren. Mit einer durchgreifenden Wende zum Besseren ist jedoch nicht zu rechnen. Der Einbruch der Auslandsnachfrage wird die Exporte weiter dämpfen. Und auch die Unternehmen werden ihre Investitionen angesichts der verschlechterten Absatz- und Ertragslage sowie der gedrückten Auslastung noch kürzen. Der private Konsum wird in der nächsten Zeit durch die stabilen Preise, höhere Sozialtransfers, Abgabenentlastungen und die Autonachfrage bis zum Jahresende noch durch die Abwrackprämie gestützt. Deutlich ausgeweitet werden die staatlichen Investitionen in die Infrastruktur. Bei dieser Entwicklung wird das reale Bruttoinlandsprodukt 2009 um knapp 6 % niedriger als 2008 sein. Die Beschäftigung wird merklich sinken; die Zahl der Arbeitslosen wird Ende 2009 um knapp eine Million höher sein als ein Jahr zuvor. Die schwache Nachfrage dämpft die Preisentwicklung; in den kommenden Monaten wird die Inflationsrate auch wegen des “Basiseffekts” aufgrund der vor einem Jahr extrem gestiegenen Energiepreise sogar im negativen Bereich liegen.

Die Perspektiven für 2010 sind nicht nur wegen mangelnder Erfahrungen mit solchen Krisensituationen mit hoher Unsicherheit behaftet, sondern hängen auch vom wirtschaftspolitischen Handeln ab. Auf der einen Seite wird die Wirtschaft auch im kommenden Jahr geld- und finanzpolitischer Unterstützung bedürfen. Auf der anderen Seite sind Geld- und Finanzpolitik mittelfristig gefordert, die zuletzt extrem expansiven Kurse wieder, sei es aus Stabilitäts- bzw. Konsolidierungsgründen, “zurückzufahren”. Das wird eine konjunkturelle Erholung tendenziell dämpfen. Mit der – unterstellten – moderaten Belebung der Weltwirtschaft dürfte sich der Export aber wieder festigen. Auch werden weiterhin die öffentlichen Bauinvestitionen durch die Konjunkturprogramme angetrieben. Der private Verbrauch dürfte aber insbesondere zu Jahresbeginn durch den Wegfall der Abwrackprämie und die sinkende Beschäftigung gedrückt werden. Die Unternehmensinvestitionen werden angesichts der hohen Unterauslastung schwach bleiben. Aufgrund der erforderlichen Anpassungsprozesse wird die deutsche Wirtschaft im Laufe des kommenden Jahres allenfalls geringfügig wachsen, im Jahresdurchschnitt etwa unverändert bleiben. Die Arbeitslosigkeit wird bei dieser Entwicklung weiter deutlich zunehmen.“

(Quelle: HWWI, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut)