Was sind Eurobonds?
Wie hoch sind die Kosten für Eurobonds?
Eurobonds waren in den vergangenen Tagen ein wichtiges Thema in der öffentlichen Diskussion. Doch was sind Eurobonds? Und wie hoch sind die Kosten für Eurobonds? Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung hat soeben eine ausführliche Stellungnahme zu Eurobonds abgegeben, die wir höchstinteressant finden und durchaus der Veröffentlichung wert.
Was sind Eurobonds? – Was kosten Eurobonds?
„Stellungnahme des ifo Instituts vom 17. August 2011
Angesichts der gegenwärtigen Diskussion über die Einführung von Eurobonds hat das ifo Institut seine Abschätzung der damit verbundenen Kosten für den deutschen Staat aktualisiert. Grundlage der Berechnungen ist die Annahme, dass Eurobonds langfristig zu einer Vergemeinschaftung der Staatsschulden aller Länder des Euroraums führen und gemäß den EZB-Kapitalanteilen von den einzelnen Ländern verbürgt werden.
Die nominalen Zinsunterschiede zwischen Staatsanleihen, die sich auf den Märkten herausgebildet haben, spiegeln die unterschiedlichen Konkurswahrscheinlichkeiten der jeweiligen Staaten wider und bewirken, dass sich die effektiven Zinsen der Länder (im Sinne der mathematischen Erwartungswerte der Zinsen) ähneln. Eurobonds geben allen Staaten die Möglichkeit, sich ungeachtet ihrer Konkurswahrscheinlichkeit zum selben Nominalzins zu finanzieren. Damit drücken sie die effektiven Zinsen der Länder im Ausmaß der jeweiligen jährlichen Konkurswahrscheinlichkeiten unter den gemeinsamen Nominalzins und implizieren eine Subventionierung der Finanzierungskosten der unsoliden Länder.
Die nominale Zinskonvergenz (und effektive Zinsdivergenz), die mit den Eurobonds verbunden ist, hat den von den Befürwortern angestrebten Effekt, dass die Zinsen der unsolideren Länder merklich sinken. Da die Bonität der Euroländer vergemeinschaftet wird, kann die Bonität der Eurobonds auch nur die durchschnittliche Bonität der beteiligten Länder widerspiegeln. Der Zins der Eurobonds wird sich deshalb vermutlich in der Nähe desjenigen Wertes einpendeln, der sich sonst im Durchschnitt aller Länder ergeben hätte. Die effektiven Zinsen der unsoliden Länder werden in manchen Fällen sogar negativ sein.
Ende Juli lag der nominale Zins für zehnjährige Staatsanleihen im Durchschnitt des Euroraums nach Angaben der Europäischen Zentralbank bei 4,6%, während er für Deutschland nur 2,6% betrug. Von Italien wurde 5,9% Verzinsung gefordert, von Spanien 6,1%. Portugiesische und irische Anleihen wurden mit einem Rendite von rund 11%, griechische sogar mit knapp 15% gehandelt.
Die nominalen Zinsunterschiede bewegten sich damit in der gleichen Größenordnung wie im Jahr 1995, dem Jahr vor dem Beginn der nominalen Zinskonvergenz, die mit der Ankündigung der unverrückbar festen Wechselkurse im Euroraum einherging. Damals lagen die nominalen Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen Italiens, Portugals und Spaniens im Schnitt sogar um 5 Prozentpunkte über den deutschen Zinsen, während sie Ende Juli 2011 nur um 3,7 Prozentpunkte darüber lagen. Selbst Frankreich hatte damals mit 0,69 Punkten einen etwas größeren Zinsspread zu verkraften als Ende Juli 2011, als 0,65 Punkte gemessen wurden. Allerdings lag der Zinsaufschlag Griechenlands damals mit 10,1 Prozentpunkten etwas unter dem Wert vom Juli dieses Jahres mit 12,4 Punkten.
Für Deutschland brächte eine durch die Vergemeinschaftung der Haftung künstlich herbeigeführte nominale Zinskonvergenz (und effektive Zinsdivergenz) langfristig erhebliche Mehrkosten mit sich. Diese Mehrkosten lassen sich für die Zeit nach dem Auslaufen aller deutschen Anleihen alter Art unter der Annahme berechnen, dass die nominalen Zinsen der Eurobonds an die Stelle der durchschnittlichen Zinsen in einem Regime ohne solche Bonds treten und dass die Zinsspreads ohne die Eurobonds dort verharren würden, wo sie in letzter Zeit waren.
Ende Juli lag die Rendite von zehnjährigen Bundesanleihen um 2,0 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt des Euroraums. Bei fünfjährigen Anleihen betrug der Renditeabstand 2,6 Prozentpunkte, bei zweijährigen Anleihen sogar 3,0 Prozentpunkte. Der mittlere Renditeabstand hängt folglich von der Laufzeitstruktur der deutschen Staatsverschuldung ab. Unterstellt man, dass sich eine mittlere Laufzeit von 7,5 Jahren einstellt, so ergibt sich ein Renditeabstand von rund 2,3 Prozentpunkten. Bezogen auf die gesamte derzeitige Bruttoschuld der Bundesrepublik Deutschland von 2080 Mrd. Euro (Stand: Ende 2010) resultieren daraus zusätzliche Zinskosten von 47 Mrd. Euro pro Jahr.
Die Rechnung fällt günstiger aus, wenn man nicht die Zinsen von Ende Juli als Vergleichsbasis nimmt, sondern die Durchschnittswerte der ersten sieben Monate des Jahres 2011. Im Mittel lag der deutsche Zins in dieser Zeitspanne nicht um 2,3 Prozentpunkte wie Ende Juli, sondern um 1,6 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt des Euroraums. Folglich errechnen sich auf dieser Basis zusätzliche Zinskosten von 33 Mrd. Euro pro Jahr.
Aus der Berechnung wird deutlich, dass die zu erwartenden jährlichen Zusatzkosten von einer Reihe von Annahmen abhängen. Die Zusatzkosten fielen geringer aus, wenn die Verschuldung der Euroländer zurückgeführt würde, wenn also im Euroraum Sparprogramme aufgelegt würden, die über die Anforderungen der deutschen Schuldenbremse hinausgehen. Das aber ist äußerst unwahrscheinlich. Es steht im Gegenteil zu befürchten, dass die Eurobonds den Anreiz zur Konsolidierung im Euroraum verringern werden, weil ja die Disziplinierungswirkung der Zinsspreads entfällt. Wer sich stärker verschuldet als der Durchschnitt, treibt zwar die Zinsen für die Eurobonds etwas nach oben, doch trifft dieser Nachteil größtenteils andere Euroländer statt nur ihn selbst. Je kleiner ein Land ist, desto kleiner ist der Anteil der negativen Konsequenzen einer zusätzlichen Verschuldung, der auf dieses Land entfällt, und desto leichtfertiger wird es sich verschulden. Der Verschuldungsanreiz als solcher ist aber für alle Länder, auch die größeren, vorhanden. Die Schulden des Euroraums werden deshalb eher noch schneller wachsen als in der Vergangenheit, was die vom Kapitalmarkt für die Eurobonds verlangten Zinsen noch weiter erhöhen wird. Zu befürchten ist vor allem, dass die Investoren bezweifeln, dass die solideren Länder tatsächlich in der Lage sein werden, die mit einer Haftungsunion einher gehenden Risiken zu schultern. Immerhin liegt auch Deutschland heute schon mit einer Schuldenquote von 83% weit über der nach dem Maastrichter Vertrag erlaubten Grenze von 60%. Die Folge wären erneute Vertrauensverluste und Turbulenzen an den Finanzmärkten, die dann auch Deutschland direkt treffen würden.
Man könnte geneigt sein, den negativen Anreizeffekten dadurch entgegen zu wirken, dass man Eurobonds nur bis zu einem bestimmten Anteil des BIP, z.B. 50 Prozent oder 60 Prozent, einführt und darüber hinaus gehende Schulden der Eigenverantwortung der jeweiligen Länder überlässt. Aber dieser Vorschlag hört sich besser an, als er ist. Die einschlägigen Ansätze dazu laufen nämlich darauf hinaus, dass die Schuldenländer sich vorläufig bei der Refinanzierung der Staatsschulden allein der Eurobonds bedienen können, bis die Schuldengrenze erreicht ist. Für die nächsten Jahre steht deshalb die Schuldengrenze nur auf dem Papier und hat noch keine reale Bedeutung. Und wenn dann der Zeitpunkt kommt, zu dem mehr und mehr Länder in die Nähe der Schuldengrenze rücken und für neue Schulden höhere Zinsen befürchten, werden sie alle verfügbaren politischen Hebel in Bewegung setzen, um die Schuldengrenze hochzusetzen. Die bisherige Erfahrung mit politischen Schuldengrenzen im Euroraum lassen leider wenig Zweifel an dem, was passieren wird.
Bisweilen wird zugunsten der Eurobonds ins Feld geführt, dass sie einen hohen Bekanntheitsgrad aufweisen werden und deshalb für die Investoren der Welt eine höhere Liquidität bedeuten als die einzelnen Staatspapiere des Euroraums. Daraus wird die Hoffnung abgeleitet, dass sie zu niedrigeren Zinsen platziert werden können, als es dem heutigen Durchschnitt der Eurozinsen entspricht. Der Liquiditätseffekt ist denkbar, dürfte aber von nachgelagerter Bedeutung sein. Sicherlich reicht er nicht an die Bedeutung des Bonitätseffekts heran, der den obigen Rechnungen zugrunde liegt. Die Liquidität der Eurobonds wird vermutlich nicht an diejenige der Bundesanleihen heranreichen können, und selbst wenn sie es täte, wäre ihre Bonität nicht im Entferntesten mit der Bonität der heutigen Bundesanleihen vergleichbar, weil die Haftung auch von Staaten gewährt wird, deren Zahlungsfähigkeit von den Märkten zunehmend bezweifelt wird. Insofern wird die Bundesrepublik mit Sicherheit wesentlich höhere Zinsen zahlen müssen, als wenn sie sich nicht in den Haftungsverbund begeben würde.
Man könnte hieraus schließen, dass man die Eurobonds dann eben, anders als in der obigen Rechnung, mit einer gesamtschuldnerischen Haftung aller Teilnehmerländer versehen müsste. In der Tat gibt es dann ein fiktives Szenarium, bei dem sich niedrigere Zinsen als im Durchschnitt der Euroländer einstellen, weil die Eurobonds selbst dann vollständig bedient würden, wenn auch nur ein einziger Eurostaat überlebt und für alle anderen einsteht. Nur ist dieses Szenarium reichlich unrealistisch, weil selbst Deutschland als größtes Land mit der bislang besten Bonität in diesem Fall in den Konkurs getrieben würde. Immerhin haben allein schon die GIPS-Länder und Italien zusammen genommen etwa um die Hälfte mehr Schulden als die Bundesrepublik Deutschland, und Deutschland liegt schon heute mit einer Schuldenquote von 83 Prozent weit über der nach dem Maastrichter Vertrag erlaubten Grenze von 60 Prozent. Behauptungen, durch die Eurobonds ließen sich Zinseinsparungen gegenüber dem heutigen Durchschnitt erzielen, scheinen auf der unrealistischen Annahme zu beruhen, dass Deutschland zwar gesamtschuldnerisch haftet, aber dennoch keinem höheren Konkursrisiko ausgesetzt ist als heute.
Auch für den Fall der anteiligen Haftung für die Eurobonds, auf den wir unsere Rechnungen bezogen haben, rät das ifo Institut mit Nachdruck von der Einführung von Eurobonds ab. Selbst wenn Europa die Kraft fände, einen Bundesstaat zu bilden, wäre es doch nicht sinnvoll, die Haftung für aufgenommene Staatsschulden zu vergemeinschaften. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika, die eine gemeinsame Nation bilden, haftet der eine Bundesstaat nicht für den anderen. Das Haftungsprinzip ist das Grundprinzip jeglichen rationalen Wirtschaftens und zugleich einer der Grundpfeiler der marktwirtschaftlichen Ordnung. Wer es preisgibt, setzt Europas Zukunft aufs Spiel.“
Quelle Pressemitteilung: ifo Institut für Wirtschaftsforschung