Ein Lichtblick inmitten der Krise – Neues von Mozart entdeckt
Seit November des Jahres 2007 dreht sich in unserer Welt so vieles nur noch um die Finanz- und Wirtschaftskrise und auch hier wurde immer und immer wieder darüber berichtet. Doch imitten dieser krisengeschüttelten Welt gibt es immer wieder auch diese kleinen oder auch größeren Oasen, die uns zeigen: Es gibt mehr als nur diese Krise. Und genau deshalb ist diese Nachricht der Entdeckung zweier neuer Werke von Mozart so wichtig für uns in diesen Tagen…
Zwei neue Mozart-Werke entdeckt
“Der Wissenschaftliche Bereich der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg hat im
Nannerl-Notenbuch, das sich seit 1864 im Besitz der Stiftung befindet, einen Konzertsatz
und ein Präludium des jungen Wolfgang Amadé Mozart identifiziert.
Durch den wissenschaftlichen Leiter der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, Dr. Ulrich
Leisinger, wurden zwei ohne Autorenbezeichnung überlieferte Klavierstücke mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit als unbekannte Werke des jungen Wolfgang Amadé Mozart
identifiziert. Es handelt sich um einen umfangreichen Konzertsatz und ein Präludium, die sich am
Ende des sogenannten Nannerl-Notenbuchs befinden, das Leopold Mozart 1759 für seine
achtjährige Tochter Maria Anna („Nannerl“) anlegte und das auch für den Klavierunterricht von
Wolfgang herangezogen wurde. Das Notenbuch enthält außer Übungsstücken auch die ersten
Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts.
Die in der Handschrift Leopold Mozarts überlieferten Klavierstücke galten bisher als anonyme
Kompositionen. Die neue wissenschaftliche Herleitung von Ulrich Leisinger, die sich auf den
Schriftbefund und stilistische Kriterien stützt, belegt mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, dass die Stücke vom jungen, im Notenschreiben noch ungeübten Mozart
stammen, der seine Werke dem Vater zum Aufschreiben am Klavier vorspielte. Leopold Mozart hat
dabei nur bei einem Teil der von seinem Sohn komponierten Stücke auch dessen Namen
hinzugesetzt.
„Bei dem hochvirtuosen Molto Allegro handelt es sich offenbar um den ersten Satz eines
Cembalokonzerts in G-Dur, von dem nur die Soloabschnitte der Cembalostimme notiert sind,
während die Orchesterritornelle fast vollständig ausgespart sind“, wie Ulrich Leisinger festhält. „Es
gibt zwar viele Salzburger Klavierbücher des 18. Jahrhunderts, aber nirgendwo findet sich dort ein
Stück mit ähnlichen technischen Anforderungen“. Das Manuskript weist die flüchtige Handschrift
Leopolds auf, wie sie für „Kompositions“-Niederschriften typisch ist; aus stilistischen Gründen
kommt Leopold, der ein versierter Komponist war, aber als Autor selbst nicht in Frage: Es besteht
eine auffällige Diskrepanz zwischen den hohen technischen Ansprüchen und einem Mangel an
kompositorischer Erfahrung, die Leopold Mozart als Autor der Werke ausschließen.
Eine Anekdote aus dem Jahre 1792 belegt, dass sich Wolfgang schon lange vor seinem „ersten“
Klavierkonzert KV 175 aus dem Jahr 1773 mit der Komposition von Konzerten beschäftigt hat. Der
Salzburger Hoftrompeter und enge Freund der Familie Johann Andreas Schachtner berichtet
davon, dass sich bereits der im Notenschreiben noch ungeübte Knabe an einen Konzertsatz
herangewagt hatte. Leopold, der das Elaborat erst kritisch, dann gerührt begutachtete, wandte sich
schließlich mit folgenden Worten an Schachtner: „Sehen sie, […] wie alles richtig und regelmäßig
gesetzt ist, nur ists nicht zu brauchen, weil es so außerordentlich schwer ist, dass es kein Mensch
zu spielen im Stande ware“, worauf Wolfgang entgegnet haben soll: „Drum ists ein Concert, man
muß so lang exercieren, bis man es treffen kann“. Es ist aber nicht gesichert, ob ein direkter
Zusammenhang zwischen der Anekdote und dem vorliegenden Konzertsatz besteht.
Das fünfminütige Stück dürfte aus den Jahren 1763/64 stammen und bildet ein wichtiges
Bindeglied zwischen den Miniatursätzen aus dem Nannerl-Notenbuch und den großen Formen der
Instrumentalmusik (Sonate, Symphonie und Konzert), denen sich der junge Mozart ab dem
Sommer 1763 zuwandte. Dem Konzertsatz geht in der Handschrift ein fragmentarisches Präludium
voran, das in der Spieltechnik dem Konzertsatz ähnelt und damit gleichfalls von Wolfgang Amadé
Mozart stammen dürfte.
Die Identifizierung ergab sich bei systematischen Vorarbeiten für ein Faksimile des „Nannerl-
Notenbuchs“, von dem sich der größte Teil seit 1864 im Besitz des Dom-Musik-Vereins und
Mozarteum befindet, aus dem 1880 die Internationale Stiftung Mozarteum hervorgegangen ist. Die beiden Stücke sind im Verzeichnis von Mozarts Werken, dem sogenannten Köchelverzeichnis,
nicht enthalten. Sie wurden in der Neuen Mozart-Ausgabe zwar im Rahmen der Edition der
Notenbücher der Familie Mozart 1982 herausgegeben, aber seinerzeit nicht als Kompositionen
des jungen Mozart erkannt.
Für den Harvard-Professor und weltbekannten Pianisten Robert D. Levin steht der Wert des
Fundes außer Frage: „Wir wussten aus zeitgenössischen Berichten bislang nur, dass die Mozart-
Kinder über eine stupende Klaviertechnik verfügten. In diesem Konzertsatz haben wir zum ersten
Mal hierfür auch einen konkreten Nachweis. Was der Komponist dem Spieler durch rasante
Passagen, das Überkreuzen der Hände und wilde Sprünge zumutet, ist schon ein bisschen
verrückt. Ich halte es für sehr glaubhaft, dass der Satz vom jungen Mozart stammt, der damit
zeigen wollte, was er alles konnte.“
Eintragungen von alter Hand mit Bleistift belegen, dass der Konzertsatz im Hause Mozart gründlich
einstudiert worden ist. Ob Wolfgang oder Leopold jemals eine Orchesterfassung des Satzes
ausgearbeitet haben, ist nicht bekannt.
„Die Bleistift-Eintragungen deuten auf Aufführung hin, was nur möglich war, wenn auch die
Begleitstimmen fertig komponiert waren. Natürlich könnte sich Wolfgangs Aussage, ‚ich schreibe
ein Klavierkonzert und der erste Teil ist bald fertig’ einfach nur auf die Solostimme bezogen haben,
doch ist es viel wahrscheinlicher, daß die Komposition des Satzes auch gleich die
Orchesterbegleitung mit einbezogen hätte. Leider ist der Satz in der überlieferten Form kaum
aufführbar, da die Orchesterabschnitte fehlen, und zwar fehlen nicht nur eine Einleitung und der
Abschluss, sondern auch drei Zwischenspiele. In der Solostimme wird durch Doppelstriche auf
nicht notierte Orchesterteile hingewiesen. Außerdem gibt es sechs kurze Stellen, wo das
Orchester auf das Soloinstrument reagieren soll“, bemerkt Levin, der bereits viele von Mozarts
Fragmenten, zuletzt die c-Moll-Messe KV 427 und einen Quintettsatz in A für Klarinette und
Streicher KV 581a, ergänzt hat. „Es ist verhältnismäßig leicht möglich, aus den Soloabschnitten die
fehlenden Orchesterritornelle zu rekonstruieren. Zwar entwickelt ein guter Komponist die
Solostellen aus den Orchesterritornellen, aber man kann dieses Verfahren auch umdrehen, indem
man die virtuosen Passagen des Solocembalos auf einfachere Formen reduziert. Dann hat der
Hörer den Eindruck, als ob das Soloinstrument seine Einfälle aus dem Vorangegangenen erfinden
würde. Auf diese Weise können wir doch recht deutlich ahnen, auf was der junge,
hochambitionierte Komponist hinauswollte“. Levins Rekonstruktion orientiert sich an dem in
Salzburg für Cembalokonzerte bis 1770 üblichen Begleitung von zwei Violinen und Bass und
erweitert den Satz um 28 auf 103 Takte.
Die beiden „neuen“ Mozart-Stücke werden am 2. August 2009 von Ulrich Leisinger vorgestellt,
Florian Birsak wird sie auf Mozarts originalem Hammerflügel im Mozart-Wohnhaus in Salzburg zu
Gehör bringen. Bei dieser Gelegenheit wird auch erstmals Robert D. Levin’s Fassung für Cembalo
und Streicher erklingen. Eine Einspielung mit Birsak auf Cembalo steht unter www.mozarteum.at
zum Audio-Download bereit. Die erstmalige Aufführung des Werkes inkl. der neuen
Orchesterergänzung von Robert D. Levin wird in der Mozartwoche 2010 (22. bis 31. Jänner)
stattfinden. Schon immer war es Aufgabe der Internationalen Stiftung Mozarteum, ihre
wissenschaftlichen Ergebnisse auch in ihren Konzerten aufzugreifen. Zugleich plant die Stiftung
auch die Veröffentlichung des vollständigen Notenmaterials und einer Audioaufnahme der
Fassung mit Orchesterergänzung.
Ein Faksimile der neu identifizierten Mozart-Werke ist ab 2. August 2009 zum Preis von 12 Euro in
den Mozart-Shops von Mozarts Geburtshaus und vom Mozart-Wohnhaus erhältlich
(www.mozarthaus.biz). Im Herbst 2009 erscheint das gesamte Nannerl-Notenbuch im Faksimile
mit Birsaks Einspielung aller Stücke im Rahmen der „Denkmäler der Musik in Salzburg“ beim
Strube Verlag München. Dieses enthält nicht nur den in der Bibliotheca Mozartiana der
Internationalen Stiftung Mozarteum aufbewahrten Teil der Handschrift, sondern auch in alle Welt
verstreute Einzelblätter, die Nannerl nach dem Tode ihres Bruders an Bewunderer verschenkte.“
(Quelle Pressemitteilung: Mozarteum.at)