Der Krise ins Gesicht sehen – Wo steht Deutschland in diesen Tagen?

Es ist schwer im Moment, überhaupt noch jemandem Glauben zu schenken. Die einen reden die Krise größer als sie ist mit Prognosen, die sich zum Teil stark widersprechen. Die anderen reden die Krise kleiner als sie tatsächlich ist und betreiben damit Schönfärberei. Doch wo steht Deutschland in diesen Tagen wirklich?

Wahrscheinlich irgendwo zwischen beidem, wenn man realistisch genug ist. Noch nicht am Boden, aber noch lange nicht der Rezession entkommen. Anders als in Osteuropa, wo die Finanzwirtschaftskrise nun mehr und mehr bittere Spuren hinterlässt, kommen wir noch gut davon. Unsere Industrie ist breit ausgerichtet – anders als in Tschechien zum Beispiel, wo alles auf eine Karte, das heißt, auf die Autoindustrie, gesetzt wurde. Noch sind wir Exportweltmeister, haben uns dabei jedoch nicht von einem einzigen Land abhängig gemacht, sondern unsere Exporte über die ganze Welt verteilt mit vielen unterschiedlichen Gütern.

Auch sind wir nicht, wie die USA, von einem überzogenen Konsum auf Pump abhängig. Die Deutschen sind ein Volk von Sparern, zumindest viele von uns, und dies wird uns, auch wenn wir Verluste bei den Geldanlagen erlitten haben, durch die Krise helfen. Vielleicht wird nun das, wofür wir gerade aus den USA immer wieder belächelt wurden, nun genau das, was uns stärker machen wird. Während dort der Konsum auf Pump regelrecht zelebriert wird (70 Prozent des Konsums wird auf Pump gemacht, heißt mit Krediten bezahlt) und nun auch staatlich gefördert wird, sieht es bei uns anders aus. Hier gibt es zwar die Kritik an den Banken, dass sie ihre Kreditzinsen nicht senken trotz der erfolgten Leitzinssenkung, dennoch gibt es keine Ansätze dazu, eine Förderung von Verbraucherkrediten in ein Konjunkturpaket aufzunehmen. Dies ist in den USA der Fall, gebracht hat dies bis jetzt dennoch gar nichts. Selbst die Ankündigung von US-Notenbankchef Ben Bernanke, Staatsanleihen zu kaufen, hat die Börsen in den USA nur kurz beflügelt, der wichtigste Aktienindex dort, der Dow Jones, fiel gestern zum Wochenschluss wieder um 1,65 Prozent. Der Dax jedoch, der wichtige deutsche Aktienindex, konnte sich im Plus behaupten und liegt nun auch weiterhin über der psychologisch so wichtigen Marke von 4.000 Punkten.

“Die Exzesse waren so stark, das wir viel grundsätzlicher rangehen müssen. Die Finanzmärkte der Zukunft werden nicht mehr all zu viel mit denen der Vergangenheit zu tun haben”, sagte gestern Bundesbankpräsident Axel Weber. Und er warnte klar vor dem Aufrechterhalten der Illusion, “es könne ein munteres >Weiter so< an den Finanzmärkten geben." Die Banken haben jetzt die Chance, ihr Verhalten zu ändern und mehr Realismus zu zeigen. Genau das, was ihnen in den letzten Jahren gefehlt deshalb in die Finanzwirtschaftskrise geführt hat. Für uns als Bürger ist es jetzt wichtig, ein gutes Maß zwischen Konsum und Geldanlage zu finden. Nun alles auf eine Karte und auf das Sparen zu setzen, wäre der falsche Weg, wie auch, jetzt alles Geld für Konsum auszugeben. Ein Mittelweg ist hier wichtig, um gemeinsam aus der Krise zu kommen. Und da sind wir Deutschen vielleicht weitaus realistischer als so manch anderer, der nie ein Land komplett neu aufbauen musste. Es wird Zeit für einen Neuanfang.