Börsen-Zeitung: Schild-Bürgerstreich, Kommentar zur Finanzagentur von Kai Johannsen

Frankfurt (ots) – Hü und hott – hü und hott. Treffender lässt sich
der Umgang des Bundesfinanzministeriums mit seinem Schuldenmanager
Deutsche Finanzagentur, der auch das Privatkundengeschäft des
deutschen Staates regelt, wohl nicht bezeichnen. Und so langsam
dürfte dieses Hin und Her in der Öffentlichkeit ziemlich lächerlich
wirken, insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Zeitabstand
zwischen beiden Kommandos schon recht kurz geworden ist.

Zur Erinnerung: Im Sommer 2008 kommt die Finanzagentur, die bis
dahin in erster Linie den institutionellen Anlegern aufgrund der
Refinanzierungsaktivitäten für den deutschen Staat bekannt war, mit
einem neuen Produkt für Privatanleger: die Tagesanleihe – ein
Geldmarktkonto im Anleiheformat, für die Schildkröte Günther Schild
in den Medien kräftig Werbung machte. Angesichts der seinerzeit
ausufernden Subprime- und Bankenkrise empfanden die Banken das
Produkt als einen Frontalangriff. Der Bund machte weiter. Nur wenige
Wochen später wurde bekannt, dass der Bund noch mehr Pläne für
Privatanlegerprodukte in der Schublade hat: Sparplan für
Bundeswertpapiere, variabel verzinsliche Anleihe, indexierter
Bundesschatzbrief und besonders gute Transaktionskonditionen –
nämlich Nulltarif. Dass der Bund in der Folgezeit von der Ausführung
dieses Schild-Bürgerstreichs im Retailgeschäft absah, war der
Finanzkrise geschuldet: Sie verschob auch im Finanzministerium die
Prioritäten. Gut dreieinhalb Jahre blieb es ruhig.

Im Februar dieses Jahres dann die Ankündigung der Finanzagentur,
dass nun die nächsten Produkte das Licht der Welt erblicken werden.
Erst der Sparplan – Arbeitstitel “Schatzdepot des Bundes” – danach
die variabel verzinsliche Anleihe. Alles quasi startklar. Und man
darf davon ausgehen, dass der Bundesfinanzminister über die Pläne
informiert war. Schließlich wird ja jedes Detail der Produkte mit
seinem Haus abgestimmt. Nun, wenige Wochen später, zieht das
Ministerium wieder die Bremse an. Alles müsse noch mal durch die
Brille der Wirtschaftlichkeit betrachtet werden, heißt es.

Jenseits dieses Zickzackkurses aus Produktankündigungen und
Rückziehern ist festzuhalten, dass sich die Finanzagentur im Retail
Banking bisher nicht mit Ruhm bekleckert hat. Das Finanzministerium
sollte sich neben der betriebswirtschaftlichen vor allem die
ordnungspolitische Frage stellen, was der Staat im Retail Banking zu
suchen hat. Es ist ja nicht so, dass es an leistungsfähigen
Sparkassen, Volksbanken und Privatbanken fehlte, um Anlageprodukte
des Bundes an den Bürger zu bringen.

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