Zinsen im Sinkflug – Wohin mit dem Geld, wenn Sparen nichts mehr bringt?

In puncto Zinsen scheint sich zumindest vorerst das Blatt wieder zu wenden – und Sparer spüren die Auswirkungen bereits jetzt deutlich. Eine aktuelle Auswertung von Verivox zeigt: Der durchschnittliche Tagesgeldzins ist im April 2025 auf 1,4 Prozent gefallen, so niedrig wie seit dem Sommer 2023 nicht mehr. Festgelder mit zweijähriger Laufzeit bringen im Schnitt 2,11 Prozent – das niedrigste Niveau seit Ende 2022. Gleichzeitig liegt die Inflationsrate in Deutschland weiterhin oberhalb der Zinssätze, wodurch der Realzins für viele Anleger negativ ausfällt. Was also tun?

EZB-Zinspolitik und geopolitische Unsicherheiten

Ein treibender Faktor für den Zinsverfall ist die Politik der Europäischen Zentralbank. Nachdem der Einlagenzins zum siebten Mal seit Mitte 2024 auf nun 2,25 Prozent gesenkt wurde, gehen Marktbeobachter davon aus, dass sich der Abwärtstrend mit einer weiteren Zinssenkung im Juni und einem Leitzins von 1,5 Prozent zum Jahresende fortsetzen wird. Hinzu kommen geopolitische Spannungen, etwa durch die US-Zollpolitik unter Trump, die zusätzliche Unsicherheiten in die Märkte bringen. Gerade regional agierende Banken reagieren darauf besonders vorsichtig – Sparkassen zahlen im Schnitt nur noch 0,48 Prozent aufs Tagesgeld.

Der schleichende Verlust: wenn die Inflation die Erträge frisst

Dabei galten Tages- und Festgeld lange als sichere Häfen, auf die insbesondere Sparer hierzulande traditionell stark setzen. So lagen laut DZ-Bank 2,2 Billionen Euro, also etwa 23 Prozent des privaten Geldvermögens in Deutschland, in Sichteinlagen oder Bargeld geparkt – das meiste auf Girokonten, die oft kaum Zinsen abwerfen. Was viele unterschätzen: Selbst scheinbar sichere Geldanlagen können real Verluste bedeuten – und zwar Kaufkraftverluste. Wer 10.000 Euro zu 1,4 Prozent anlegt und gleichzeitig mit 2,2 Prozent Inflation lebt, verliert Jahr für Jahr real Geld. Sicher schrecken viele Deutsche etwa aufgrund schlechter Erfahrungen am „Neuen Markt“ vor Aktien zurück und Sicherheit ist nach wie vor ein berechtigtes Bedürfnis, allerdings sollte das nicht zu Stillstand oder gar Verlusten führen. Eine durchdachte Strategie muss her. Dazu gehören etwa flexibel strukturierte Anleiheportfolios ebenso wie dividendenstarke Aktien etablierter Unternehmen und kurz laufende Investmentlösungen wie Bonds, die etwa eine fixe Verzinsung mit zusätzlicher Gewinnbeteiligung kombinieren.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen: Wer heute noch auf Tages- oder Festgeld setzt, erzielt nicht nur geringe Erträge, sondern verliert real an Vermögen.

Vito Micoli, Geschäftsführer von FI Investments

Digitalisierung verändert den Zugang zu Kapitalmärkten

Während klassische Sparprodukte an Attraktivität verlieren, treiben technologische Entwicklungen den Zugang zu alternativen Anlageformen voran. Über digitale Plattformen und Apps können sich heute auch private Anleger informieren, investieren und dabei zunehmend von KI-gestützten Systemen profitieren. Gerade in Zeiten volatiler Märkte gewinnen solche Technologien an Bedeutung. Sie ermöglichen es, rationale Entscheidungen zu treffen – unabhängig von kurzfristigen Stimmungslagen oder verzerrten Wahrnehmungen, zu denen menschliche Anleger neigen. Ein weiterer Effekt dieser Entwicklungen ist die zunehmende Demokratisierung des Kapitalmarkts. Digitale Angebote senken Einstiegshürden, machen Anlageprodukte transparenter und eröffnen auch weniger finanzstarken oder unerfahrenen Anlegern die Möglichkeit, fundierte Entscheidungen zu treffen. Dabei sollte Technik immer mit menschlichem Know-how gepaart werden – etwa wenn clevere Algorithmen mit erfahrenen Fachleuten zusammenarbeiten. Das minimiert Fehler und schafft Vertrauen.

Fazit: Klassisches Sparen reicht nicht mehr aus

Die aktuellen Entwicklungen zeigen: Wer heute noch auf Tages- oder Festgeld setzt, erzielt nicht nur geringe Erträge, sondern verliert real an Vermögen. Alternative Ansätze, die Technologie und Finanzbildung verbinden, könnten langfristig dazu beitragen, bessere Ergebnisse zu erzielen – vorausgesetzt, sie werden verantwortungsvoll eingesetzt. In jedem Fall ist ein Umdenken notwendig: Weg vom reinen Kapitalerhalt, hin zu durchdachten, individuell passenden Anlagestrategien.

Gastbeitrag von Vito Micoli, dem Geschäftsführer von FI Investments. Micoli ist Betriebswirt und Unternehmer, hat 40+ Jahre Erfahrung in Firmenstrukturierung, Beratung, Buchhaltung & Steuern.

Vito Micoli, Betriebswirt und Unternehmer, hat 40+ Jahre Erfahrung in Firmenstrukturierung, Beratung, Buchhaltung & Steuern. Seit 2023 ist er Geschäftsführer von FI Investments. Foto ©Thomas Feith für FI Group
Vito Micoli, Geschäftsführer von FI Investments ©Thomas Feith für FI Group