Börsen-Zeitung: Regulierer in Schieflage, Kommentar zur Umsetzung der Bankenkapitalanforderungen von Basel III, von Bernd Neubacher.

Frankfurt (ots) – Nicht nur Banken, auch Regulierer können
schiefliegen. Dies zeigt die Einigung im Wirtschaftsausschuss des
EU-Parlaments vom Montagabend. Bei der Umsetzung der
Kapitalanforderungen von Basel III favorisiert die Runde einen
dezidiert europäischen Ansatz: Ohne die EU-Kommission soll künftig
nicht mehr viel gehen, wenn ein Staat seinen Banken höhere
Kapitalpuffer abverlangen will. Schief liegt die Legislative mit
ihrer Einschätzung, möglichst stark harmonisierte Kapitalvorgaben
maximierten die Widerstandsfähigkeit der Banken.

Warum nur will man nationale Aufseher daran hindern,
Kreditinstituten so viel Eigenkapital abzuverlangen, wie sie für
nötig erachten? Als die nationalen Regulierer noch bemüht waren, sich
mit ihren Anforderungen gegenseitig zu unterbieten, sang man das
Loblied auf den Wettbewerb. Gerade jetzt aber, wo der
Konkurrenzgedanke, und auch Druck des Marktes, einmal nicht zum
Abbau, sondern effektiv zum Aufbau von Kapitalpolstern führen
könnten, scheint die Angst umzugehen, Europas Banken könnten bald zu
viel Eigenkapital vorhalten. Welch seltsamer Paradigmenwechsel: Der
Baseler Ausschuss versteht seine Kapitalvorgaben stets als
Mindestanforderungen, welche nationale Aufseher erweitern können.

In Schieflage gerät mit der Einigung im Parlament aber auch die
Regulierung generell. Zwar insinuieren Schlagwörter wie “level
playing field”, “single rule book”, und was der Wortschatz Brüsseler
Politiker noch alles an Imponier-Vokabeln hergibt, Einheit, Harmonie
und Konsistenz. Im konkreten Fall aber befördern sie nur die
Verantwortungsdiffusion, frei nach dem Motto: Brüssel bestellt, ohne
dass klar ist, wer zahlen soll.

Denn sollte sich herausstellen, dass die Kommission ihre
Eigenkapitalobergrenze zu niedrig gezogen hat, weil wieder einmal
Banken kollabieren, wird dies ein EU-Fonds auffangen müssen.
Hierzulande befindet sich ein Fonds zur Bankenrestrukturierung ja
wenigstens bereits im Aufbau, auch wenn sein Volumen noch stark
überschaubar bleibt. Auf EU-Ebene hingegen ist ein Vorschlag von
Kommissar Michel Barnier für eine Bankenabwicklungsrichtlinie seit
Sommer vergangenen Jahres überfällig. Dafür hat Barnier Gründe.
Zunächst sollen die einzelnen Staaten ihr Recht auf eigene
Kapitalvorgaben selbst beschränken, erst dann kann Barnier die
Debatte führen, dass sie in einen Fonds einzahlen sollen, über dessen
Verwendung sie im Zweifel nicht mehr zu entscheiden haben. Barnier
weiß nur zu gut: Beides parallel könnte er nicht durchsetzen.

(Börsen-Zeitung, 15.5.2012)

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