Börsen-Zeitung: Angst, Kommentar zum Scheitern der Versuche, eine griechische Regierung zu bilden, von Detlef Fechtner.

Frankfurt (ots) – Man kann es einerseits so sehen: Die
Staatsschuldenkrise in Europa hat seit zwei Jahren so viele
dramatische Wendungen und gefährliche Zuspitzungen überstanden, dass
die Euro-Regierungen gewiss auch die Prüfung meistern, die ihnen
gerade das griechische Volk aufgibt. Immer wieder schien in den
vergangenen zwei Jahren die Lage aussichtslos – nach dem Wahlerfolg
der Basisfinnen, der Blockade durch eine slowakische Partei, den
Vorbehalten im Bundestag oder auch während des Höhenflugs
italienischer und spanischer Anleiherenditen im Herbst. Man könnte
sich daher auf den Standpunkt stellen: Es wird schon irgendwie gut
gehen.

Man kann es andererseits aber auch so betrachten: Wer einen
ständigen Balanceakt am Abgrund versucht, stürzt irgendwann ab. Dass
der Anpassungsprozess für die Krisenstaaten schwierig werden würde,
war absehbar – Konflikte waren deshalb programmiert. Schließlich
haben bislang alle Milliardenhilfen einen Preis: Konditionalität. Wer
Unterstützung will, der muss dafür auch einen strengen Reform- und
Sparkurs ertragen. Dass wiederum dieser Druck Widerstand bei den
Betroffenen provoziert und Euroland eine Dauerkontroverse über Sparen
und Wachsen beschert, kann nicht überraschen.

Jetzt indes erreicht der Streit und das mit ihm verbundene Risiko
eine neue Dimension. Denn anders als bisher müssen Europas
Regierungen nicht mehr ihre Amtskollegen auf die Spur bringen,
sondern die Bürger vom Sinn und Zweck der Rettungsstrategie
überzeugen. In dieser schwierigen Lage bemühen sich Europas
Finanzpolitiker zu Recht um eine Zuspitzung: Spielraum für echte
Neuverhandlungen gibt es nicht – allein schon wegen des IWF, der sich
querstellen würde. Also heißt die Wahl: Entweder sparen und
reformieren – oder die Mitgliedschaft im Club riskieren. Ein Drittes
gibt es nicht.

Das ist keine gemeine Drohung und keine plumpe Angstmache. Die
Angst ist nämlich längst da. An den Märkten, die verunsichert sind,
ob Hellas überhaupt noch zu retten ist. In den Euro-Staaten, die
Sorgen haben, dass Euroland längst nicht so immun ist gegen
Ansteckungsgefahren, wie sie es selbst behaupten. Die entscheidende
Frage freilich ist: Wie groß ist die Angst der Griechen selbst vor
einem Abschied aus dem Währungsbund? Genau auf diese Angst stützt
sich letztlich die Hoffnung all derer, die auf eine Zukunft
Griechenlands im Euro hoffen. Das ist wenig. Allerdings wäre es
voreilig, jetzt schon zu sagen, das ist nicht genug.

(Börsen-Zeitung, 16.5.2012)

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