Börsen-Zeitung: Wowereit muss gehen, Kommentar zum Flughafen Berlin von Ulli Gericke
Frankfurt (ots) – Warum eigentlich muss nur Manfred Körtgen gehen,
der bei der Flughafengesellschaft für Technik Zuständige, und damit
verantwortlich für die erneut verschobene Eröffnung des neuen
Berliner Großflughafens? Körtgen habe Probleme damit gehabt, „die
Dinge rechtzeitig zu erkennen“, begründet Klaus Wowereit, Berlins
Regierender Bürgermeister und Aufsichtsratschef der
Airport-Gesellschaft, dessen Rausschmiss. Aber gilt nicht genauso für
die Kontrolleure, dass sie trotz wiederholter Warnungen vor
gravierenden Verzögerungen Schwierigkeiten gehabt haben, „die Dinge
rechtzeitig zu erkennen“? Auch ein forsch vorgetragenes Eigenlob,
„der Aufsichtsrat war in der Vergangenheit nicht bequem und wird auch
in der Zukunft nicht bequem sein“, kann die Mitverantwortung der
Eigentümer aus Berlin, Brandenburg und dem Bund nicht in Abrede
stellen – zumal sie der Vertreter des Verkehrsministers einräumt.
Die Airport-Gesellschaft habe sich auf die Zahlen verlassen, die
man ihr vorgelegt hat, erklärte Rainer Bomba, Staatssekretär im
Bundesverkehrsministerium, gestern bei der Bekanntgabe des neuen
Eröffnungstermins Mitte März 2013. Nicht ohne zu versichern, dass
Planung und Überwachung künftig nicht mehr in einer Hand liegen
dürften, wie es bisher der Fall sei – „so was darf einfach nicht mehr
vorkommen“. Hier hat offensichtlich die angeblich so wache und
aufgeweckte Hauptstadt tief geschlafen. Sollte es tatsächlich bei dem
2,5 Mrd. Euro teuren Flughafen (plus nahezu 700 Mill. Euro für Bahn-
und Straßenanbindung) keine von der Planung getrennte Überwachung der
Baufortschritte, bzw. zutreffender: Bauverzögerungen gegeben haben?
Und hat das der Aufsichtsrat nicht bemängelt? Ebenso wenig wie die
mangelhafte Ablaufkoordination und das unzureichende
Risikomanagement, wie Bomba nachträglich einräumt?
In keinem Unternehmen, geschweige denn Finanzinstitut, würde heute
noch so viel vertrauensselige Blauäugigkeit akzeptiert – und das aus
gutem Grund. Nur der Bund, Berlin und Brandenburg zeigen sich
großzügig, obwohl es sich bei dem Airport um das bei weitem größte
Infrastrukturprojekt Ostdeutschlands handelt. Und um eine riesige
Baustelle. Wobei jeder Bauherr weiß, dass Großbaustellen ähnliche
Gefahren bergen können wie komplizierte Zertifikatekonstruktionen.
Hier kein straffes, unabhängiges Kontrollsystem installiert zu haben
ist nicht weniger unverantwortlich, als Probleme nicht rechtzeitig zu
erkennen. Auch der Aufsichtsrat hat gefehlt – auch dessen Chef muss
gehen.
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