Weser-Kurier: VKU-Geschäftsführer Hans-Joachim Reck über die Lehren aus der Privatisierungswelle im Energiesektor

Bremen (ots) – Was bringt es, wenn Gemeinden das Stromnetz von
Konzernen zurückkaufen? Der WESER-KURIER sprach mit dem
Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU),
Hans-Joachim Reck, über die Lehren aus der Privatisierungswelle, die
Vorteile von Stadtwerken und die Probleme bei der Energiewende.

Was können Stadtwerke eigentlich besser als private Konzerne?
Hans-Joachim Reck: Kommunale Unternehmen sind einfach bürgernäher.
Sie haben eine Riesenerfahrung, was Bürgerservice angeht. Wir bauen
Dienstleistungen nicht ab, wir stehen zu unseren
Ausbildungsverpflichtungen. Außerdem sind wir nicht
Renditeerwartungen von Investoren verpflichtet. Wenn sie 15 Prozent
Rendite und mehr erzielen müssen, können sie nur in die Bereiche
gehen, die höchstprofitabel sind. Stadtwerke können oftmals auch mit
deutlich geringeren Renditen agieren.

Bis vor wenigen Jahren gab es eine Privatisierungswelle. Woher
kommt jetzt der Sinneswandel? Die Volksparteien sind da aus meiner
Sicht teilweise einem falschen Trend gefolgt. Häufig war eine
Entschuldung Ziel der Privatisierungen. Der Hauptgrund für die
Rekommunalisierung ist ein neues politisches Bewusstsein: Die Bürger
wollen dezentrale Strukturen. Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise
ist die Hinwendung zu überschaubaren, kommunalen Strukturen größer
geworden. Und der Ausstieg aus der Kernenergie verändert die
Energiewirtschaft fundamental.

Aber sind viele kleine Versorger bei einem bundesweiten Problem
wie der Energiewende nicht genau der falsche Weg? Das muss – da wo es
Sinn macht – auf regionaler Ebene gelöst werden. So halte ich
Unternehmensstrukturen, die von mehreren Kommunen beherrscht werden,
für äußerst sinnvoll. Die EWE oder auch die Steag
(Stadtwerke-Konsortium Rhein-Ruhr, Anmerkung der Redaktion) sind ein
Beispiel dafür. Nicht jeder Dorfkrug sollte sich zum
Konzessionsinhaber ausrufen. Wenn schon funktionierende regionale
Strukturen bestehen, sollte man diese nicht kannibalisieren.

Wo lohnt sich die Rekommunalisierung? Wenn man zum Beispiel im
Vattenfall- oder Eon-Gebiet ist. Da macht es Sinn, sich zu überlegen,
ob man den Konzernen nicht eine kommunale Struktur entgegensetzt.

Was hinterlassen die Konzerne? Das kommt auf den einzelnen Fall
an. In der Regel ist das Stromnetz durchschnittlich gut erhalten. Wir
haben aber ein ganz anderes Problem: Es gibt keine klaren Verfahren
für die Ermittlung der Sachwerte. Das kann Gerichte über Jahre
beschäftigen. Bei der Offenlegung der Bücher und des Zustandes des
Netzes gibt es viel Streit – mir berichten Unternehmenschefs
zunehmend von Behinderung, was die Transparenz der Konzerne angeht.

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