WAZ: Kohls Erbe wiegt schwer für Merkel. Kommentar von Stefan Schulte

Essen (ots) – Es hätte die alten Akten nicht gebraucht, um
festzustellen, dass Kohl den Euro ohne Rücksicht auf spätere Verluste
durchgeboxt hat. Aber die Lektüre der internen Warnungen schärft das
Verständnis für den Geburtsfehler unserer Gemeinschaftswährung. Die
Fachleute wussten seinerzeit nur zu gut, dass ein Land wie Italien
nicht reif war für eine Wirtschafts- und Währungsunion, die sich an
den stärksten Volkswirtschaften orientiert. Sie haben die Mächtigen
gewarnt. Doch Kohl hatte nicht vor, sich seinen Euro von
irgendwelchen Besserwissern kaputt reden zu lassen. Heute wissen wir
es besser: Italien war der Sündenfall und die Blaupause auch für den
Beitritt des noch klammeren Griechenlands. Anderthalb Jahrzehnte
später muss Kohls Mädchen Merkel die Scherben zusammenkehren und sich
als machtbesessene Deutsche beschimpfen lassen, die dem Rest Europas
ihr Spardiktat aufzwingen will. Kohls Erbe wiegt schwer. Doch bis es
zu spät war, haben alle nachfolgenden Regierungen nicht weniger
absichtsvoll weggeschaut. Das ist bis heute das Dilemma: Politiker
können die Einheit Europas ausrufen. Mal eben 17 Volkswirtschaften
harmonisieren können sie nicht.

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