“Ende der Finanzkrise – Wende der Konjunktur?”

Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel A. Weber, ist derzeit viel unterwegs in Sachen Aufklärung in Bezug auf die Finanzkrise. So war er kürzlich auch auf der Jahrestagung der Deutsch-Finnischen Handelskammer und sprach dabei über Ursachen und sogleich die Möglichkeiten für einen Weg aus der Finanzkrise und zugleich die Perspektiven. Denn gerade Letzteres wird immer wichtiger in einer Zeit, in der die Finanzmärkte dieser Welt zum Teil starken Schwankungen und auch vielen Einbrüchen ausgesetzt sind.

Eine interessante Rede, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollten. Deshalb im Wortlaut:

Ende der Finanzkrise – Wende der Konjunktur?

Diesen beiden Fragen wird im Moment weltweit viel Aufmerksamkeit gewidmet. Zumeist schwingt dabei die Hoffnung mit, dass das Ende des Tunnels endlich in Sicht ist. Wenngleich ich diese Hoffnung durchaus nachvollziehen kann, möchte ich davor warnen, die aktuelle Lage positiver zu bewerten, als sie tatsächlich ist. Denn nur wenn wir der Realität in die Augen schauen, können wir uns für die Zukunft wappnen. Dies wiederum ist eine Grundvoraussetzung für die Überwindung der Krise. Deswegen werde ich die aktuelle Lage an den Finanzmärkten und die konjunkturellen Perspektiven für Deutschland und den Euro-Raum in den Mittelpunkt meiner Rede stellen. Zudem möchte ich einleitend die Entwicklung der globalen Finanzkrise und ihr Übergreifen auf die Realwirtschaft skizzieren. Abschließend werde ich auf die Stützungsmaßnahmen im Rahmen der Finanz- und Geldpolitik im Euro-Raum eingehen.

2 Realwirtschaft im Sog der globalen Finanzkrise

Mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 haben sich die seit August 2007 andauernden Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten zu einer gravierenden weltweiten Finanzkrise verschärft. Der im Zuge dessen stark abnehmende Risikoappetit an den globalen Finanzmärkten und die wachsende Unsicherheit über die Höhe und Verteilung der Verluste im Finanzsystem haben zu einer schwerwiegenden Lähmung der Geldmärkte und zu einer nur noch eingeschränkten Funktionsfähigkeit ganzer Marktsegmente geführt. Der dabei vorherrschende Vertrauensschock hat auch seine Wirkung auf die Realwirtschaft nicht verfehlt und ließ diese in den Sog der globalen Finanzkrise geraten. Weitgehend synchron erlebten im letzten Halbjahr Industrie- und Schwellenländer weltweit eine scharfe konjunkturelle Abwärtsbewegung. Die globale Wirtschaftsleistung wird dieses Jahr – so die Schätzung des IWF – erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs schrumpfen.
Rund um den Globus haben Zentralbanken und Regierungen auf diese Entwicklungen zügig und umfassend reagiert. Zur Vermeidung systemischer Risiken kam es in zahlreichen Ländern zu raschen und umfangreichen Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzsysteme. Die Notenbanken haben ihre Liquiditätsoperationen massiv ausgeweitet und ihre Zinssätze in hohem Tempo reduziert. Viele Regierungen – so auch in Deutschland und Finnland – haben größere Konjunkturpakete aufgelegt. Die meisten dieser Maßnahmen sind bereits angestoßen und tragen wesentlich dazu bei, das Vertrauen an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft wiederzubeleben.

Am aktuellen Rand haben gewisse Hoffnungsschimmer mit Blick auf eine leichte Verbesserung des allgemeinen Umfeldes große Beachtung gefunden. So erfreulich diese Lichtblicke sind: Sie sind noch kein verlässliches Zeichen dafür, dass die Weltwirtschaft aus dem Gröbsten heraus ist. Außerdem enthalten die Daten keine Informationen über die Dynamik der weiteren Wirtschaftsentwicklung. Wir haben in der Vergangenheit beobachten können, dass Anpassungsprozesse im Zuge von Korrekturen an den Immobilien- und Finanzmärkten einen überdurchschnittlich langen Zeitraum benötigen. Dies gilt umso mehr, wenn sich das Zusammenspiel von negativen finanz- und realwirtschaftlichen Effekten wechselseitig verstärkt. Insofern ist davon auszugehen, dass dem rasanten weltweiten Konjunkturabschwung keine annähernd so kräftige Erholung folgt. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Rolle, die der Rückkehr des Vertrauens im Erholungsprozess zukommt. Ohne ein wieder erstarkendes Vertrauen der Marktteilnehmer untereinander wird die Normalisierung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse kaum zu erreichen sein.

3 Aktuelle Lage an den Finanzmärkten

Das Ausmaß der Verspannungen an den Finanzmärkten konnte im Verlauf der Krise einerseits an den Risikoaufschlägen der Geldmarktsätze abgelesen werden. Andererseits machte es sich in den Volumina bemerkbar, die zwischen den Kreditinstituten im Interbankenmarkt gehandelt wurden. Während die Turbulenzen zu Beginn der Krise im August 2007 zu einem Anstieg der Geldmarktsätze vor allem im langfristigen unbesicherten Marktsegment geführt hatten, wurde nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers auch der Tagesgeldmarkt in Mitleidenschaft gezogen. Hierdurch kam der Interbankenhandel zeitweilig nahezu vollständig zum Erliegen.

Infolgedessen hat das Eurosystem umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die Refinanzierung der Kreditwirtschaft angesichts der auftretenden Verspannungen zu unterstützen. Durch massive Zinssenkungen und eine sehr großzügige Liquiditätsbereitstellung des Eurosystems konnte der Euro-Geldmarkt stabilisiert werden. So sind die Risikoaufschläge im längerfristigen unbesicherten Marktsegment am aktuellen Rand auf das Niveau, das vor der Verschärfung der Krise im Herbst letzten Jahres geherrscht hatte, zurückgefallen. Und auch das Handelsvolumen im Tagesgeldmarkt hat sich auf erholtem Niveau stabilisiert.

Über die Maßnahmen der Geldpolitik hinaus liefern aber auch staatliche Stabilisierungsprogramme im Euro-Raum einen erheblichen Beitrag zur Überwindung der Krise. In Deutschland wurde hierzu im Herbst letzten Jahres der Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung, kurz SoFFin, gegründet, dem für Garantiegewährung, Rekapitalisierung und Risikoübernahmen bis zu 480 Mrd. Euro zu Verfügung stehen.
Die Maßnahmen des SoFFin setzen bislang allein auf der Passivseite der Bankbilanzen an. Folglich kann die Unsicherheit über die Solidität der Banken auf der Aktivseite damit nicht behoben werden. Da gerade diese Unsicherheit aber einer Rückkehr des Vertrauens der Finanzmarktteilnehmer entgegenwirkt, wird in Deutschland an einer Lösung gearbeitet, die Banken von den giftigen Wertpapieren in ihren Bilanzen zu befreien. Die Schwierigkeit bei einer solchen Lösung liegt vor allem darin, die richtige Balance zwischen einer Entlastung der Bilanzen der Finanzinstitute einerseits und einer verursachergerechten Risikoübernahme andererseits zu finden. Dies ist dem in Deutschland entwickelten Konzept, das sich momentan im parlamentarischen Abstimmungsprozess befindet, weitestgehend gelungen. Es ermöglicht den Banken, ihre Verluste über eine längere Zeit hinweg abzuschreiben und gewährleistet gleichzeitig eine verursachergerechte Verlusthaftung. Ich denke die Lösung, die in Deutschland gefunden wurde, wird einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Finanzkrise und damit zur realwirtschaftlichen Erholung leisten.
Die zuletzt recht positive Entwicklung an den Finanzmärkten darf nicht darüber hinweg täuschen, dass der starke weltweite konjunkturelle Einbruch, den wir derzeit erleben, weitere Belastungen der Finanzmärkte zur Folge haben wird. Denn auch in diese Richtung wirken die sich selbst verstärkenden, negativen Effekte der Finanz- und Wirtschaftskrise. Das heißt wir müssen in Folge des konjunkturellen Einbruchs mit steigenden Kreditausfällen und weiteren Wertberichtigungen im Bankensektor rechnen.

4 Konjunkturelle Perspektiven in Deutschland und Europa

Die Wirtschaft im Euro-Raum befindet sich derzeit in der bislang schwersten Rezession seit Bestehen der Währungsunion. In vielen Volkswirtschaften spricht man von der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit. Das reale BIP des Euro-Raums ist im ersten Quartal dieses Jahres um 2,5% gesunken und damit noch etwas kräftiger als im letzten Quartal des Vorjahres. Der Auslöser dieser drastischen Entwicklung findet sich im Rückgang der globalen Wirtschaftsaktivität. Diese hat im gesamten Euro-Raum zu einer starken Belastung der exportorientierten Wirtschaftszweige geführt. Hinzu kamen in einigen Ländern hausgemachte Probleme, wie die negativen Folgen des Platzens von Vermögenspreisblasen. Diese haben sich vor allem belastend auf den privaten Konsum ausgewirkt. Deutschland ist als exportorientierte Volkswirtschaft von dem konjunkturellen Einbruch besonders hart getroffen. So erlebte es nach einem deutlichen Einbruch der Exporte im Herbst 2008 im ersten Quartal dieses Jahres einen Exportrückgang von saison- und kalenderbereinigt 13,9%.

Zuletzt mehren sich sowohl im Euro-Raum als auch in Deutschland die Anzeichen auf ein Nachlassen des Abwärtstrends. Dies trifft zum einen auf die „weichen“ Daten, also die Stimmungsindikatoren zu: So hat sich im Euro-Raum der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe im Mai den dritten Monat in Folge verbessert und das Industrievertrauen ist erstmals seit Juni 2008 wieder spürbar angestiegen. Aber auch bei einigen „harten“ Daten wie zum Beispiel den Auftragseingängen scheint der steile Absturz gestoppt zu sein. Diese bislang vereinzelten Hoffnungssignale sollten aber nicht darüber hinweg täuschen, dass noch weitere wirtschaftliche Anpassungsprozesse im Euro-Raum anstehen.

Dies gilt vor allem für den Arbeitsmarkt, dessen Entwicklung typischerweise dem Konjunkturverlauf um einige Monate nachläuft. Zwar ist die saisonbereinigte Arbeitslosenquote im Euro-Raum bereits binnen Jahresfrist um 1,7 Prozentpunkte angestiegen. Laut Frühjahresprognose der Europäischen Kommission wird sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit jedoch in diesem und im nächsten Jahr weiter fortsetzen und die Arbeitslosenquote wird auf 11,5% in 2010 ansteigen. Im Ländervergleich gestaltet sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt sehr heterogen. Den deutlichsten Anstieg der Arbeitslosigkeit hatte bislang Spanien zu verzeichnen. Dort lag die standardisierte Arbeitslosenquote im März bei 17,4% und damit fast acht Prozentpunkte über dem Vorjahreswert. In Deutschland hingegen hat der Arbeitsmarkt bislang vergleichsweise moderat auf den starken Einbruch der Wirtschaftsaktivität reagiert. So hat die Arbeitslosigkeit erst seit Jahresende 2008 schrittweise zugenommen und die standardisierte Arbeitslosenquote lag mit 7,6% im März unter dem EWU-Durchschnitt. (BA-Quote für April 8,3%). Dies liegt auch daran, dass der Konjunktureinbruch lange Zeit unterschätzt wurde und die Überzeugung vorherrschte, dem Einbruch folge eine schnelle kräftige Erholung. Die Folge war eine ungewöhnliche Hortung von Arbeitskräften. Wenn sich die Hoffnung auf eine schnelle Erholung jedoch zunehmend verflüchtigt, ist mit einer massiven Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation auch in Deutschland zu rechnen.

Zunehmend verschlechtern wird sich auch die Lage der öffentlichen Finanzen im Euro-Raum. Bereits in diesem Jahr wird die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in den meisten EU-Mitgliedsstaaten deutlich ansteigen. Finnland ist eines der wenigen Länder, das laut EU-Kommissionsprognose in diesem Jahr die Defizitgrenze des Stabilitäts- und Wachstumspaktes von 3% nicht verletzen wird. Gründe für den massiven Anstieg der Neuverschuldung sind zum einen die umfangreichen Konjunkturprogramme, die von den Regierungen verabschiedet wurden. Zum anderen wird sich der Konjunktureinbruch über die automatischen Stabilisatoren belastend auf die Haushaltslage auswirken. Deutlich eingeschränkt ist der fiskalische Spielraum für die Länder im Euro-Raum, die es im letzten Aufschwung versäumt haben, ihre Staatshaushalte zu konsolidieren. Nicht so jedoch in Finnland, das bis letztes Jahr veritable Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet hat und so mit einem guten Polster zu Beginn der Krise ausgestattet war. Aber auch Deutschland hatte mit einem nahezu ausgeglichenen Haushalt im vergangenen Jahr eine vergleichsweise gute Ausgangsposition zu Beginn der Krise.

Lassen Sie mich an dieser Stelle betonen, dass sich die Währungsunion selbst als ein wichtiger Stabilitätsanker in der Finanz- und Wirtschaftskrise bewährt hat. Nicht vorzustellen, welche Turbulenzen wir an den Währungsmärkten erlebt hätten, wenn es den Euro nicht gäbe. Auch vor diesem Hintergrund sollte der Stabilitäts- und Wachstumspakt weiterhin ernst genommen werden. Denn er stellt ein wichtiges Fundament der Währungsunion dar. Das heißt, die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, ihre Defizite zurückzuführen, sobald der Tiefpunkt der Krise überwunden ist. Hierfür sollten glaubwürdige Programme von den nationalen Regierungen vorgelegt werden. Letztendlich werden alle getroffenen Konjunktur- und Stabilitätsmaßnahmen ihre volle Wirkung nur dann entfalten, wenn das Vertrauen in die langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen gewahrt bleibt.

5 Stützungsmaßnahmen im Euro-Raum

5.1 Finanzpolitik

Die Reaktionen der Europäischen Zentralbank und der Regierungen im Euro-Raum zur Krisenbewältigung umfassten eine Vielzahl vertrauensbildender Maßnahmen an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft.
Im Bereich der Finanzpolitik wurde auf die Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfeldes mit einer Reihe stützender Maßnahmen reagiert. Neben den getroffenen staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen im Bankensektor, die ich bereits angesprochen habe, wurden teils umfangreiche Konjunkturpakete verabschiedet. Deutschland hat Anfang dieses Jahres ein sehr umfangreiches Konjunkturpaket beschlossen, das seine Wirkung in diesem und im nächsten Jahr entfalten wird. Zwar können die Finanzpakete den Exportschock nicht vollständig kompensieren, sie werden dem konjunkturellen Einbruch dennoch entgegenwirken und zumindest das Risiko von Zweitrundeneffekten spürbar eindämmen. Zudem geht die antizyklische Wirkung der Fiskalpolitik in Deutschland, wie auch in den meisten anderen Ländern im Euro-Raum, weit über die Konjunkturpakete hinaus. Denn automatische Stabilisatoren spielen aufgrund unserer Sozial- und Abgabensysteme eine überaus wichtige Rolle. Auch wenn sich die Effekte der massiven globalen fiskalischen Impulse nur schwer abschätzen lassen, steht doch fest, dass sie insgesamt einen beträchtlichen und im Zeitablauf ansteigenden konjunkturellen Stabilisierungseffekt auslösen werden. Damit besteht durchaus Hoffnung darauf, dass sich die Wirtschaft im Euro-Raum im späteren Jahresverlauf 2009 allmählich stabilisieren wird.


5.2 Geldpolitik

Die Geldpolitik liefert neben der Finanzpolitik einen weiteren wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung. Das Eurosystem hat von Beginn der Turbulenzen an entschlossen und umfassend auf die Verspannungen an den Geldmärkten reagiert. Dabei erwies sich der umfangreiche und auf einen breiten Adressatenkreis ausgerichtete geldpolitische Handlungsrahmen des Eurosystems als äußerst flexibel. Der Verschärfung der Geldmarktturbulenzen im Herbst letzten Jahres begegnete das Eurosystem sowohl mit einer massiven Zinssenkung als auch mit einer deutlichen Ausweitung der Liquiditätsbereitstellung. Der Spielraum für die Zinssenkungen eröffnete sich vor dem Hintergrund der rückläufigen Risiken für die Preisstabilität und der konjunkturellen Abkühlung. Das Eurosystem hat diesen Spielraum genutzt und die Leitzinsen seit Oktober letzten Jahres um 325 Basispunkte auf 1% gesenkt. Für die Konjunktur ist das ein erheblicher Impuls. Ich halte dieses Zinsniveau im gegenwärtigen Umfeld für angemessen. So liegen die Geldmarktzinsen für längerfristige Geschäfte im Euro-Raum auf einem niedrigeren Niveau als die entsprechenden Dollarsätze.
Ganz bewusst hat das Eurosystem den Bankensektor in den Fokus seiner liquiditätspolitischen Maßnahmen gestellt. Durch diese Fokussierung werden die Maßnahmen des Eurosystems den strukturellen Gegebenheiten des Finanzsystems im Euro-Raum gerecht. Im Unterschied zum US-amerikanischen Finanzsystem ist das Finanzsystem im Euro-Raum bankbasierter. Das heißt, ein Großteil der Refinanzierung im Unternehmenssektor erfolgt nach wie vor über Bankkredite. Die Emission privater Schuldtitel wird hingegen nur durch einen vergleichsweise geringen Kreis von Unternehmen genutzt. Ziel des Eurosystems ist es daher, dass solvente Banken weiterhin Zugang zu Liquidität haben und somit in der Lage sind, Kredite zu günstigen Konditionen an den Unternehmenssektor und die privaten Haushalte zu vergeben.

Um dies in Zeiten eines gestörten Interbankengeldmarktes zu gewährleisten, geht unsere Liquiditätsbereitstellung an den Bankensektor derzeit weit über das übliche Maß hinaus. So haben wir nach der Verschärfung der Krise im Herbst letzten Jahres die Hauptrefinanzierungs- und die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte vom Zins- auf das Mengentenderverfahren mit voller Zuteilung umgestellt. Dies gewährleistet, dass sich die Geschäftspartner des Eurosystems derzeit gegen Vorlage von Sicherheiten zum Hauptrefinanzierungssatz in jedem gewünschten Volumen refinanzieren können. Dieses Vorgehen hat sich als sehr effizient erwiesen. Um die Kreditvergabe im Euro-Raum weiter zu unterstützen und zudem den anhaltenden Rückgang der längerfristigen Geldmarktsätze zu fördern, hat der EZB-Rat in seiner letzten geldpolitischen Sitzung weitere Maßnahmen beschlossen. Erstens wurde das Spektrum der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte um Tender mit einer Laufzeit von 12 Monaten erweitert. Zweitens haben wir im Grundsatz beschlossen, auf Euro lautende und im Euro-Raum begebene gedeckte Schuldverschreibungen anzukaufen. Mit der Entscheidung für den Ankauf von Pfandbriefen ist das Eurosystem ein überschaubares Risiko eingegangen, denn Pfandbriefe sind sehr ausfallsicher. Durch die beschlossenen Maßnahmen wird die Funktionsfähigkeit des Bankensektors weiter gestützt. Zugleich wird die Marktliquidität in wichtigen Segmenten des Marktes für private Anleihen verbessert. Hiervon versprechen wir uns positive Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen von Banken und Unternehmen.

Bei der Entscheidung für die bislang getroffenen Maßnahmen hat ein weiterer wichtiger Aspekt Berücksichtigung gefunden: Der Ausstieg aus der Politik der großzügigen Liquiditätsbereitstellung ist relativ gut möglich. Dies ist wichtig, um möglichen Risiken für die Preisstabilität frühzeitig begegnen zu können. Gleichzeitig wird hierdurch ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung künftiger Finanzkrisen geleistet. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine dauerhaft allzu großzügige Liquiditätsversorgung der globalen Finanzmärkte in Verbindung mit einem sehr niedrigen Zinsniveau den Aufbau von Vermögenspreisblasen begünstigt. Das Eurosystem wird daher auch in nächster Zeit alle Entwicklungen sehr genau verfolgen, um die bereitgestellte Liquidität bei einem sich aufhellenden gesamtwirtschaftlichen Umfeld so rasch wie möglich wieder abzuschöpfen.

6 Schluss

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ende meiner Rede noch einmal zu den beiden Ausgangsfragen zurückkehren.

Ist ein Ende der Finanzkrise in Sicht?

Befinden wir uns am Wendepunkt des konjunkturellen Zyklus?

Die von Regierungen und Zentralbanken ergriffenen Stabilisierungsmaßnahmen haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Lage an den Finanzmärkten ist am aktuellen Rand bei weitem nicht mehr so angespannt wie nach der Verschärfung der Krise im Herbst letzten Jahres. Zudem werden die verabschiedeten Konjunkturprogramme im Laufe dieses und des nächsten Jahres zunehmend ihre Wirkung entfalten und einen Beitrag zur konjunkturellen Stabilisierung leisten. Dennoch bilden die anstehenden Belastungen durch den konjunkturellen Einbruch in Verbindung mit den Problemen in vielen Teilen des Finanzsystems eine gefährliche Gemengelage. Daher ist es in der jetzigen Situation wichtig, dass alle beteiligten Akteure auch weiterhin wachsam sind und die notwendigen Schritte zur Bewältigung der Krise ergreifen. Das Eurosystem trägt mit seiner stabilitätsorientierten Geldpolitik dazu bei, in diesen turbulenten Zeiten das Vertrauen an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft zu stärken.“ (Quelle: www.bundesbank.de)